Ökologischer Wandel mit Augenmaß

„Wer Grün wählt, muss es sich leisten können.“ – Ein provokanter Satz, aber er verdeutlicht leider, wohin sich die wichtige Debatte über die ökologische Frage in den letzten Jahren entwickelt hat.

Sollte man auf Dauer aus der Produktion von Verbrennungsmotoren aussteigen? Im Sinne des Klima- und Umweltschutzes ist diese Entscheidung sicherlich zu begrüßen. Aber gibt es bereits Konzepte, wie die vielen hunderttausend Arbeitsplätze, die von der Fertigung über Zulieferer bis zur regionalen Wertschöpfung mit dieser Produktionskette verknüpft sind? Sollten sich das Individuum und die Gesellschaft als Ganzes umweltbewusster verhalten? Auch hier ist eine Sensibilisierung zu begrüßen. Radikale Forderungen wie der Verzicht auf den Fleischkonsum oder Flugverbindungen stoßen jedoch mit gutem Recht auf Ablehnung in breiten Teilen der Bevölkerung und konterkarieren das grundsätzlich zu unterstützende Anliegen in einen ideologischen Grabenkampf fernab realpolitischer Ansätze zur Lösung von Problemen.

Diskussionen dieser Art müssen weiter aktiv vorangetrieben und in die zukünftige Ausrichtung Deutschlands politisch und wirtschaftlich einfließen. Für mich ist hierbei klar, dass dieser ökologische Wandel den Bedingungen des Wirtschaftsstandortes Deutschland gerecht werden muss und der soziale Ausgleich nicht vernachlässigt werden darf. Denn Umweltschutz kann nur mit und nicht gegen die Bürger unseres Landes effektiv betrieben werden. Mit Verbotsforderungen und weiteren Einschränkungen des Alltags, wovon insbesondere Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen betroffen sind, wird das Verständnis für den Klimaschutz jedoch in sein Gegenteil verkehrt. Moralisch unanfechtbare Maximalforderungen zu postulieren ist eine Sache, die praktische Umsetzung dieser Anliegen eine ganz andere.

Die Debatte um elektrisch betriebene Autos in Deutschland ist ein gutes Beispiel hierfür. Auch wenn die deutsche Automobilindustrie anfangs sehr zögerlich auf Technologien aus dem Bereich der E-Mobilität reagiert hat, darf man nie vergessen, dass die Unternehmen dieser Branche 2019 einen Umsatz von gut 435 Milliarden Euro erwirtschafteten und mehr als 833.000 Personen beschäftigen. Die Automobilindustrie hat eine sehr hohe Bedeutung für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland. Ein Verbot von Benzin- oder Dieselmotoren, wie es von einigen Umweltaktivisten gefordert wird, würde mit einem Schlag den Wohlstand unserer Nation erheblich treffen und für viele Arbeitsplätze das Ende bedeuten. Ich halte die E-Fahrzeuge aktuell einer für einen Übergangsschritt. Wir verlagern dadurch nur das Umweltproblem aus Deutschland in solche Länder, die ohne Umweltauflagen die seltenen und endlichen Rohstoffe abbauen, die für die Produktion der Batterien benötigt werden. Bei der Betrachtung dieses Zusammenhangs stellen sich mir viele Fragen: Unter welchen Arbeitsbedingungen werden dort die Rohstoffe für Batterien abgebaut? Wie wird die Umwelt durch den dortigen Abbau belastet? Gibt es langfristig genügend Rohstoffe, um die steigende Nachfrage in den industrialisierten Ländern zu bedienen? Politische Vorgaben müssen der Automobilwirtschaft und den Verbrauchern die nötige Zeit geben, einen Übergang zu schaffen. Unserem international renommierten Ingenieurswesen wird es mit der Zeit sicherlich gelingen, neue Antriebs- und Speicherlösungen zu entwickeln und praxistauglich für die breite Mehrheit zu gestalten. Hierbei handelt es sich um eine Zeitspanne von Jahren, nicht von Monaten.

Was passieren kann, wenn eine Veränderung in kurzer Zeit schockartig eingeführt wird, haben wir beim Ausstieg aus der Kernenergie erlebt. Die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder hatte beschlossen, wirtschaftlich und sozialverträglich aus der Kernenergie auszusteigen und die Zukunft der deutschen Energieversorgung durch erneuerbare Energien zu sichern. Das deutsche Konzept der Energiewende fand international große Beachtung. Infolge des Reaktorunglücks von Fukushima in Japan traf Kanzlerin Angela Merkel die Entscheidung zum sofortigen Ausstieg, der bis heute zu einem stark angestiegenen Strompreis führt. Ein Blick nach Frankreich genügt, um diese Auswirkungen deutlich zu spüren. Die Preise des dortigen staatlichen Stromanbieters EDF sind durch einen bedeutenden Anteil an Kernenergie in dessen Energiemix deutlich geringer als in Deutschland. Auch die Entschädigungsforderungen der Betreiber von Kernkraftwerken gegen die öffentliche Hand und somit die Steuern der Bürger laufen weiter.

Aus meiner Sicht benötigen wir für die nächsten Jahre auch in Deutschland einen Energiemix, um die energiepolitischen Ziele der Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit für eine führende Exportnation in Einklang miteinander zu bringen. Neben regenerativen Energien, die derzeit immer noch  subventioniert werden, gehören dazu auch fossile Energieträger wie Erdgas, bei dem wir auch auf einen kleinen Anteil der heimischen Förderung zurückgreifen können. Aktuell erleben wir bei der Debatte infolge des Kohleausstiegs, welche erheblichen regionalen und sozialen Auswirkungen entstehen, wenn für einen ganzen Industriezweig von heute auf morgen das Ende eingeläutet wird. Möglichkeiten und Reformwege, den Wandel nicht mit der Brechstange zu gestalten, wären genügend vorhanden. Als Beispiele möchte ich hier nur die Reduktion von Methan-Emissionen bei der Erdgasförderung, die energetische Sanierung beim Gebäudebau oder die Produktion von grünen Gasen erwähnen, um zu zeigen, wie flexibel und modernisierungsfähig die Technologien im Bereich der fossilen Energieträger heute sind.

Leider ist bei den umwelt- und energiepolitischen Weichenstellungen der letzten Jahre mehr der fromme Wunsch der Vater des Gedankens als die nüchterne Gestaltung der realen Verhältnisse. Mit Blick auf die erwähnten Beispiele kann ich abschließend mein Plädoyer nur bekräftigen: Wir Deutsche sollen weiter weltweiter Vorreiter im Umweltschutz bleiben, aber mit Besonnenheit und sozialer wie wirtschaftlicher Verträglichkeit!