Nicht zum ersten Mal stand Bundestagsabgeordneter Marcus Held (SPD) in der vergangen Wochen und Monaten am Plenumstisch des Deutschen Bundestages. In seiner jüngsten Rede ging es um das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts. Die Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe verbleibende Zuhörerinnen und Zuhörer! Zunächst ein herzliches Dankeschön für das Lob an die Rheinland-Pfälzer.Das möchte ich auf­greifen, auch wenn es eigentlich um das Vergaberecht geht.

Wenn bisher zum Beispiel in Kommunalparlamenten über Vergaben entschieden wurde, wurde letztendlich nur über den Preis entschieden, und das führte in der Regel bei Kommunalpolitikern zu Ärger und Unzufriedenheit.

Andere Vergabeverfahren kennen wir zwar aus vielen anderen europäischen Ländern oder auch aus den Zeiten beispielsweise der Konjunkturprogramme I und II, bisher sind wir in Deutschland aber leider immer wieder in die alten Vergabemuster zurückgefallen.

Dies wird sich nun glücklicherweise mit der heute zu beratenden Modernisierung des Vergaberechts ändern, nämlich mit der Umsetzung von drei EU-Richtlinien.Auch wenn das Gesetz nur im Oberschwellenbereich gilt, das heißt bei Bauaufträgen mit einem Volumen von über 5,1 Millionen Euro und bei Dienstleistungen ab 207 000 Euro: Das Gesetz wird natürlich auch Auswir­kungen auf die Länder haben, die sich bei ihren Verga­begesetzen daran orientieren werden.Es ist auch unser großes Ziel, dass hier möglichst eine Vereinheitlichung über die Länder hinweg erfolgt.

Das neue Vergaberecht ist ein großer Wurf; denn wir erreichen eine wesentliche Vereinfachung in der Struktur des Vergaberechts.Waren Vorschriften zur Vergabe bis­her über ganz viele unterschiedliche Regelwerke verteilt, so haben wir nun die wesentlichen im GWB, im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, zusammengeführt.Dies schafft Übersichtlichkeit, dies schafft aber auch eine Entbürokratisierung in den Verwaltungen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dort, wo sich Strukturen bewährt haben, belassen wir sie, so zum Beispiel im Baurecht.Hier gilt die eigene Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen auch in Zukunft, nämlich die Ihnen allen bekannte VOB/A.

Viel diskutiert wurde im Vorfeld die strategische Ziel­setzung bzw.die damit verbundenen Inhalte des Geset­zes, nämlich Nachhaltigkeit, aber auch soziale Kriterien.Öffentliche Auftraggeber können diese in Zukunft sehr viel stärker als bisher gewichten, und dies gleich in meh­reren Phasen der Vergabe: schon zu Beginn, nämlich wenn die Leistungsbeschreibung zusammengestellt wird, aber auch bei den Eignungskriterien, bei den Zuschlags­kriterien oder am Ende, wenn es um die Ausführungsbe­dingungen des Auftrags geht.

Erstmals wird es mit diesem Gesetz künftig möglich sein, Unternehmen aus Vergabeverfahren auszuschlie­ßen, wenn sie beispielsweise gegen Arbeits- oder Sozi­alrecht verstoßen haben.Hierfür sind extra die §§ 123 und 124 in dem Entwurf des GWB aufgeführt, die zwin­gende, aber auch fakultative Ausschließungsgründe be­schreiben, zum Beispiel wenn Straftatbestände vorlie­gen vorlie­gen, aber auch wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt worden sind oder wenn in der Vergangenheit bei öffentlichen Aufträgen das jeweilige Unternehmen gel­tende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflich­tungen nicht eingehalten hat.

Auch Vorgaben zur Herstellung von Waren, zum Bei­spiel die uns allen bekannten ILO-Kernarbeitsnormen, oder zum Handel mit Waren, zum Beispiel Fair-Tra­de-Anforderungen, finden in Zukunft im neuen Vergabe­recht Berücksichtigung.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden darüber hinaus Regelungen für Gütezeichen treffen, mit denen die Anforderungen an den Herstel­lungsprozess und die damit verbundene teilweise sehr lange Lieferkette nachgewiesen werden können.

Wir sind für die Prüfung der Einrichtung eines Kor­ruptionsregisters.Aber uns muss bewusst sein: Wir kön­nen noch so schöne und wünschenswerte Regelungen in dieses Gesetz als Ziel aufnehmen, entscheidend ist am Ende die Überwachung und die Einhaltung der Rege­lungen in der Praxis.Hier appelliere ich an alle Ausfüh­renden des Gesetzes, gegenwärtig und auch in Zukunft genügend Zollbeamte und Kontrolleure einzustellen, die auf den Baustellen und bei der Realisierung der Maßnah­men tätig werden.Bei den Lieferketten obliegt die Über­wachung dem jeweiligen Auftraggeber, was natürlich zu besonderem Aufwand und zu besonderen Herausforde­rungen führt.

Aber alle rechtlichen Verpflichtungen sind einzuhal­ten.Hier besteht kein Ermessensspielraum, auch wenn dies im Vorfeld der Diskussion immer wieder einmal anders dargestellt worden ist.Ich möchte hier ganz ex­plizit auf § 128 im neuen GWB eingehen, nach dem – im Wortlaut – „Unternehmen … bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten“ haben. Dann kommt ein ganz langer Katalog mit entsprechenden Punkten: Steu­ern, Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge, Mindest­lohn, Tarifvertragsgesetze, aber auch alle Wirkungen, die mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu tun haben, und vieles mehr.

Das Gesetz ist aber auch deshalb ein großer Wurf, weil soziale Dienstleistungen künftig in einem erleichterten Verfahren vergeben werden können.Auch im sogenann­ten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis stehen alle Ver­fahren der Vergabe künftig parallel zur Verfügung.Auch hier werden wir für die Praxis alle wichtigen Details in entsprechenden Verordnungen parallel zum Gesetz re­geln.

Dieses Gesetz ist auch deshalb ein großer Wurf, weil wir die Belange von Menschen mit Behinderung stärker berücksichtigen als bisher – hier verweise ich auf den § 118 –, weil wir die kommunale Zusammenarbeit er­leichtern – wir ermöglichen sogenannte Inhouse-Verga­ben für Kommunen, was mehr Freiräume schafft –, weil wir die Rettungsdienste privilegieren, wenn sie in der Trägerschaft von gemeinnützigen Organisationen stehen.Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die gegenwär­tige Flüchtlingsproblematik eingehen.Was wären wir in unseren Ländern, in unseren Kommunen ohne diese Ret­tungsdienste! Deshalb bin ich froh, dass wir mit dieser Privilegierung ihnen auch etwas zurückgeben können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Abschließend ein weiterer sozialer Aspekt, nämlich der Personalübergang beim Betreiberwechsel im Schie­nenpersonennahverkehr.Hier bedanke ich mich ganz be­sonders für die Initiative der Länder, insbesondere des Landes Rheinland-Pfalz.Durch diese Bundesratsinitiati­ve soll künftig nämlich geregelt sein, dass bei Personen­übernahmen Tarifverträge fortgelten.

Ich glaube, Sie haben an meinen Ausführungen er­kannt, wie wichtig die Modernisierung des Vergaberechts ist.Es bringt Verbesserungen für mittelständische Unter­nehmen durch Teil- und Fachlosvergabe.Es bringt auch Verbesserungen für die Kommunen und die öffentlichen Einrichtungen insgesamt, weil sie mehr Flexibilität bei der Vergabe bekommen, aber auch für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, weil mehr soziale Kriterien berücksichtigt werden müssen.Außerdem bringt es Ver­besserungen für Menschen in aller Welt, deren Produkte zur hiesigen Verwendung eingesetzt werden, durch die Beachtung von Nachhaltigkeits- und Umweltkriterien.Nicht zuletzt bringt es Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und für unsere Rettungsdienste.

Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen in den kommenden Wochen. Ich kann Sie schon heute um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz bitten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)