Kommunale und regionale Entwicklung

Die Kommunen haben in unserer föderalen Struktur in Deutschland zurecht einen hohen Stellenwert, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Sei es die Gestaltung der örtlichen Verkehrswege, bei der Schulplanung oder der Ausweisung von Baugebieten: Auf kommunaler und regionaler Ebene wird Politik für den Bürger praktisch erfahrbar, hier finden die Veränderungen statt, die man unmittelbar bemerkt. In meiner langjährigen Erfahrung als Kommunalpolitiker und Bürgermeister sind mir einige Aspekte bewusst geworden, welche die politische Ebene der Kommunen nachhaltig prägen werden und deshalb mehr Gehör finden müssen.

Zuvorderst müssen wir die digitale Infrastruktur auch in den ländlichen Gebieten endlich auf einen Stand bringen, der dem Stellenwert Deutschlands als einer führenden Industrienation entspricht. In der Europäischen Union sind wir bei der Umsetzung der Digitalisierung längst abgehängt, aber auch Länder aus Südostasien und Afrika stellen Deutschland hier mittlerweile in den Schatten. Die öffentliche Hand muss hier die Dienstleister der digitalen Kommunikation stärker in die Pflicht nehmen. So gehören immer noch über 30 % der Deutschen Telekom dem Bund (direkt und über KfW-Beteiligung). Hier muss es mehr Engagement in ländlichen Räumen geben, wo Unternehmen, welche ausschließlich auf Gewinn orientiert sind, sich nicht einbringen werden. In den 1950er und -60er Jahren wurden die Telefonanschlüsse in der Bundesrepublik nach bestimmten Vorgaben ausgebaut, die regionale Ungleichgewichtungen zwischen Metropolen und ländlich geprägten Regionen weitgehend vermieden. Die Deutsche Post hatte die Pflicht, alle Haushalte innerhalb einer bestimmten Zeit mit einem Telefonanschluss zu versorgen. Ein solches Vorgehen wäre auch heute in Bezug auf den weiteren Ausbau des Breitbandinternets zu empfehlen, um einem noch stärkeren Stadt-Land-Gefälle bei der digitalen Infrastruktur entgegenzuwirken. Nur so können gleichwertige Lebensverhältnisse dauerhaft garantiert und die Ansiedlung von Unternehmen im ländlichen Bereich ermöglicht werden.

Neben der digitalen Anschlussfähigkeit, die meiner Auffassung nach heute mit zur Grundversorgung gehört und damit für alle Bundesbürger gewährleistet werden muss, hat der Staat für wichtige Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie die Wasser- und Abwasserversorgung, die Stromversorgung und die Abfallbeseitigung zu sorgen. Die dafür zuständigen Dienstleister wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit großer Euphorie verstärkt privatisiert, worunter die Handlungsfähigkeit der Kommunen bis heute  leidet. Die Rekommunalisierung dieser öffentlichen Bereiche wäre daher ein  wichtiger Schritt, diese Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. Auch die Zukunft des Postwesens muss in diesem Zusammenhang gesehen werden – denn es gibt schon jetzt zunehmende Differenzen bei der Geschwindigkeit der Zustellung zwischen Stadt und Land, denn die tägliche Versorgung mit Postzustellungen soll in sogenannten „Pilotprojekten“ auf weniger als sechs Tage reduziert werden. Statt den Postbeamten, die aufgrund von Zuverlässigkeit und Datenschutz früher die Zustellung von Briefen und Paketen vorgenommen hatten, müssen heute überwiegend Leiharbeiter aus Osteuropa in prekären Verhältnissen ohne jegliche Ortskenntnisse diese Aufgaben übernehmen. Auch hier wäre ein „Back to the roots“ dringend notwendig.  

Die Debatte darüber, was Kommunen im 21. Jahrhundert leisten müssen und leisten können ist keinesfalls abgeschlossen, sondern befindet sich in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Die Verantwortung des Staates für die öffentliche Daseinsvorsorge gegenüber seinen Bürgern muss hierbei an erster Stelle vor Partikularinteressen und Gewinnerzielungsabsichten stehen. Denn in unseren Städten, Gemeinden und Landkreisen findet das Leben statt und die Menschen und Unternehmen haben ein Recht darauf, eine funktionierende Grundversorgung bereitgestellt zu bekommen. Nur auf dieser Grundlage kann Chancengerechtigkeit gedeihen und damit mehr gesellschaftlicher Zusammenhalt bewirkt werden.