Bundestagsabgeordneter Marcus Held (SPD) ermöglicht in jedem Jahr einem Schüler durch das Parlamentarische-Partnerschafts-Programm (PPP) des Deutschen Bundestages und amerikanischen Kongresses eine wertvolle Auslandserfahrung in den USA. Für Eileen Wiechmann nähert sich die zweite Hälfte ihres USA-Aufenthalts mit großen Schritten. Deshalb hat sie dem Abgeordneten jetzt wieder einmal per E-Mail von ihrem Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten berichtet:

PPP_Austausch_USA_Eileen_Stafelstab_Übergabe3

Hallo Marcus und all ihr zu Hause,

Ich bin jetzt schon seit ueber fuenf Monaten in den USA, die Haelfte ist schon vorbei und vieles ist passiert. Wie ihr am Format meiner E-Mail erkennen koennt, habe ich mir hier einen Laptop gekauft, und Umlaute gibt es auf meiner Tastatur nicht. Es ist seltsam, den Shift Knopf so viel zu verwenden und y und z sind vertauscht. Neben diesen elektronischen Andersartigkeiten, faellt es mir auch hart, Deutsch zu sprechen und es klingt sehr seltsam wenn ich es hoere, sogar in meinem Kopf waehrend ich diese Mail schreibe.

Aber, fangen wir doch am Anfang an. Wenn ich zurueck denke an den Abschied von meiner Familie, kommt es mir sehr bizarr vor. Normalerweise neige ich dazu, viel zu weinen, aber waehrend des Abschieds und der Reise hier blieben meine Augen trocken. Trotzdem, ich vermisse meine Familie sehr und denke staendig an sie. Heimweh ist furchtbar, es war vorallem schwer ueber die Feiertage.

Meine Familie hier hat mich herzlich aufgenommen, ich habe ein wundervolles Heim und Zimmer, und sie unterstuetzen mich in allem was ich machen moechte. Wie das in einer Familie so ist, gibt es natuerlich Uneinigkeiten, aber die meiste Zeit kommen wir super miteinander aus. Meine Gastmutter hat vier Kinder und drei Enkel, zwei der Kinder wohnen noch hier, aber der Junge ist schon 25 und wir sehen ihn so gut wie nie. Meine 15 jaehrige Gastschwester hingegen geht mit mir zur Schule, und sie ist mehr ein Geschwisterkind fuer mich als die anderen.

Meine Schule ist recht gross, ich meine sie beherbergt ungefaehr die gleiche Anzahl and Schueler wie unser Gymnasium, mit dem Unterschied dass es nur die Stufen 9-12 sind. Ich bin ein Senior hier, das bedeutet ich besuche die zwoelfte Klasse und werde bei der Graduation Ceremony dabei sein (die Abschlussfeier). Was mich sehr ueberrascht hat, als ich hier mit der Schule angefangen habe, war, dass Klassen hier gemischt Unterricht haben. In meiner Schauspiel Klasse zum Beispiel arbeite ich mit allen Stufen zur gleichen Zeit. Es hat seine Vor- und Nachteile, aber im Grossen und Ganzen habe ich hier mehr Spass an der Schule. Auch wenn ich jeden Tag die selben fuenf Faecher habe, gibt das meinen Tagen irgendwie mehr Struktur. Meine Schule hat Trimester, dass bedeutet ich habe drei verschiedene Stundenplaene ueber das Schuljahr, ich haenge euch ein Foto davon an. Ausserdem, gibt es hier eine wesentlich groessere Auswahl an Kursen, da ist fuer jeden etwas dabei und man muss nicht Jahr ein Jahr aus Klassen ertragen, die einen absolut nicht interessieren. Die spassigsten Kurse, die ich bisher belegt habe, sind Schmuckherstellung, Welt Mythologie, Schauspiel, und Kreatives Schreiben. Ich habe so viel Spass jeden Tag an der Schule, dass es mir schon ein wenig davor graust, wieder zurueck zu gehen zu Physik, Sport und Geschichte. Einfacher ist es hier auch, sogar zu einfach fuer meinen Geschmack, aber immerhin schreibe ich sehr gute Noten.

Jeden Dienstag habe ich Drama Club (Theater Club) und ich liebe es! Es macht so unglaublich viel Spass mit diesen unterschiedlichen Leuten abzuhaengen und Impro Spiele zu spielen, hier habe ich den Grossteil meiner Freunde gefunden. Jeder ist sehr akzeptierend, es ist wundervoll. Auch was ich in deren Auffuehrung involviert, vor kurzem haben wir „You Can’t Take It With You“ aufgefuehrt, da habe ich Backstage gearbeitet und hatte sogar eine kleine Rolle. Bald fuehren wir das Msical „Guys and Dolls“ auf, darauf freue ich mich schon sehr, denn ich werde wieder Backstage arbeiten koennen.

Das Amerikanische Leben ist schon anders, alles ist groesser hier und ohne ein Auto kommst du eigentlich nirgendwo hin. Ich liebe es, bei Walmart einkaufen zu gehen, die Auswahl ist gigantisch und ich bin Lucky Charms, Pop Tarts und Ben&Jerry’s komplett verfallen. Trotzdem vermisse ich deutsches Essen, neben Schokolade und Schnitzel auch, dass wir wesentlich gesuender kochen. Allerdings habe ich mich hier dem Mexikanischen Essen und Sushi verliebt, ich hoffe ich kann dafuer gute Restaurants finden zu Hause.

Zu den Feiertagen; erst kam Halloween, wichtiger und groesser hier als in Deutschland aber fuer mich nicht sonderlich aufregend, da die Party, zu der ich gegangen war nicht so gut war. Wie an Weihnachten auch, sind hier allerdings alle zum Aeussersten gegangen mit der Dekoration, ein Grossteil der Haeuser haben Lichter haengen und/oder aufblasende Figuren im Vordergarten. Der Hype um Thanksgiving war nicht so gross, wie ich gedacht habe, die Leute sind mehr auf Weihnachten fokussiert, aber das Fest war trotzdem unglaublich. Es gab Unmengen zu essen und das den ganzen Tag ueber, die ganze Familie hatte sich versammelt und es wurde Football geschaut. Weihnachten war auch schoen, wenn auch nicht so ausartend. Heiligabend ist hier nicht sehr wichtig, und von etwas wie erster und zweiter Weihnachtsfeiertag hat hier niemand gehoert; es gibt den Abend vor Weihnachten, Weihnachten und den Tag danach. Nikolaus gibt es auch nicht. Am Weihnachtsmorgen bin ich runter ins Wohnzimmer gegangen und dort lag ein riesiger Haufen Geschenke, so etwas habe ich noch nie gesehen. Dann haben wir im kleinen Kreis Geschenke verteilt, das hat mir gefallen. Spaeter kam der Rest der Familie zum Mittagessen und es gab mehr Geschenke. Ich habe fuer viele Leute Tassen selbst bemalt.

Silvester war auch sehr cool, alle meine Freunde aus dem Drama Club sind zu eines Freundes Haus gekommen, in Cocktail Garderobe, wo es dann Essen, Tanzen und Videospiele gab. Wir haben keine Feuerwerke gezuendet, das ist hier nicht so ein Brauch wie zu Hause, das war das erste Neujahr in meinem Leben ohne Feuerwerk. Auch ein Unterschied ist, dass jeder gegen eins nach Hause gegangen ist.

Gerade habe ich bemerkt, dass ich noch gar nichts von den Football Spielen erzaehlt habe. Mein erstes Football Spiel war sehr faszinierend, aber auch verwirrend und kalt. Wir haben als Familie immer am Kiosk ausgeholfen, nach ein paar Spielen habe ich auch angefangen die Grundregeln zu verstehen, dadurch wurde es dann interessanter. Generell bin ich nicht ein allzu grosser Sport Fan, aber fuer Schueler ist es mehr ein Platz zum abhaengen, die meisten schauen sich noch nichtmal wirklich das Spiel an, sondern laufen stattdessen um das Stadion.

Ich habe hier wundervolle Freunde gefunden und ich mag mir gar nicht vorstellen, ohne deren Unterstuetzung und Akzeptanz zu leben.

Ich habe das Gefuehl, ich finde hier zu mir selbst, ich habe schon einiges ueber mich gelernt und bin bereits erwachsener geworden, meiner Meinung nach. Natuerlich ist auch mein Englisch besser geworden. Auch wenn es vorher schon sehr gut war, faellt es mir jetzt einfach leichter zu reden und die Worte kommen fluessiger, es ist nicht mehr anstrengend und ermuedend eine laengere Konversation zu fuehren. Sprachmissverstaendnisse sind immer sehr lustig, oder wenn ich ein Wort komplett falsch ausspreche und in die verdatterten Gesichter meiner Familie und Freunde schaue bis ich realisiere, dass ich keinen Sinn mache.

Zurzeit ist Winter und ungluecklicherweise ein sehr milder fuer Michigan. Das erste Mal seit Jahren gab es keine weisse Weihnacht und dabei hatte ich mich doch schon so auf diese Chance gefreut, es zu erleben. Es ist zwar kalt im Moment, aber nicht so wie es sein sollte. Trotzdem kriegen wir hier mehr Schnee als zu Hause, das ist ziemlich cool, auch wenn ich dann zur spaet zur Schule komme.

Zusammengefasst habe ich eine tolle Zeit hier! Ich freue mich genauso sehr darauf wieder nach Hause zu kommen, wie ich es fuerchte.

Ich bin sehr froh, diese einmalige Chance erhalten zu haben und moechte mich dafuer noch einmal tausendfach bedanken!

Bis bald,

Eure Eileen