DIE Herausforderung: Neu bauen UND sanieren!

Wohnraum ist neben Strom, Wasser und Infrastruktur aus meiner Sicht ein Grundbedürfnis des Menschen und damit ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Die Schaffung neuen, bezahlbaren Wohnraums muss deshalb ein ständiges Anliegen auf allen Ebenen der Politik sein. Diese Aufgabe wurde in den letzten Jahrzehnten leider nicht engagiert genug angepackt. Deshalb stehen wir in Deutschland mehr denn je vor der Herausforderung, diese herausragende Aufgabe im Spannungsfeld zwischen sozialen Erfordernissen und wirtschaftlicher Machbarkeit zu lösen.

Mir ist dieses Thema aufgrund meiner persönlichen beruflichen und politischen Erfahrungen seit vielen Jahren ein besonderes Anliegen. Schon als studentischer Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneter Klaus Hagemann habe ich in vielen seiner Sprechstunden erfahren, wie viele Bürgerinnen und Bürger Probleme hatten, eine bezahlbare Wohnung in Worms und Umgebung zu finden.

Deshalb habe ich mich während meiner Tätigkeit als Geschäftsführer und späterer Vorstand der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft Oppenheim in den Jahren von 2009 bis 2018 für die Sanierung der Wohnungen im Bestand und das energieeffiziente, vor allem aber barrierefreie Bauen eingesetzt. Im Rückblick konnten wir zahlreiche der über 240 Wohnungen im Bestand der Oppenheimer Wohnungsbaugenossenschaft mit eigenen Fachhandwerkern nachhaltig sanieren. Nachhaltigkeit ist schon bei diesem Schritt ein entscheidender Faktor für ein langfristig angelegtes, erfolgreiches Immobilienmanagement – sowohl bei Wohn-, als auch bei Gewerbeobjekten.

Zu meinen Aufgaben als Geschäftsführer gehörte es unter anderem, geeignete bebaubare Grundstücke zu finden oder scheinbar nicht sinnvoll nutzbare Flächen innerhalb der Ortslage zu definieren, neue Ideen zu entwickeln und diese mit einer tatsächlich und wirtschaftlich realisierbaren Planung zu versehen. Auch die Umwandlung von ehemaligen Gewerbeflächen für den Wohnungsbau, die sog. Konversion, gehörte zu meinem Verantwortungsbereich. Dabei ist es gelungen, gleich mehrere ungenutzte Flächen zu finden, die eine städtebauliche Lücke darstellten und mit neuen modernen Wohnungen zu bebauen.

Wer neuen Wohnraum schaffen will, braucht einen langen Atem. Denn neben der Überzeugung der Gremien in der eigenen Gesellschaft und den Verhandlungen über den Erwerb ist vor allem die Finanzierung eines Projekts von elementarer Bedeutung. Ohne diese Frage geklärt zu haben, braucht man gar nicht erst in die nächsten Schritte des Projekts eintreten. Zur Finanzierung der Vorhaben führte ich zusammen mit meinen Vorstandskollegen zahlreiche Gespräche mit den Banken und kümmerte mich um die Prüfung von möglichen Zuschüssen durch die entsprechenden Förderbanken.

Um der hohen Nachfrage an neuem Wohnraum zu begegnen, hatten wir uns in der Oppenheimer Wohnungsbaugenossenschaft zur Gründung einer Tochtergesellschaft entschlossen, mit der wir den  Neubau mehrerer Mehrfamilienhäuser zum Verkauf von Eigentumswohnungen realisierten. Die Notwendigkeit, den lokalen Wohnungsmarkt zu entspannen, ist vielerorts nach wie vor enorm. Sowohl in Ballungszentren, als auch in den Speckgürteln haben sich lange Wartelisten für bezahlbare Wohnungen gebildet. Ich erinnere mich noch heute, dass wir zu Spitzenzeiten in der Kleinstadt mit weniger als 10.000 Einwohnern über 200 Bedarfsgemeinschaften auf den Wartelisten für eine neue Wohnung verzeichneten.

Viele der großen Mehrfamilienhäuser in unseren Städten und Gemeinden im aktuellen Bestand wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren mithilfe staatlicher Zuschüsse errichtet. Es stellt sich deshalb immer öfter die Frage, wie man mit den noch nicht sanierten Einheiten umgeht. Sanierungen sind umfangreiche und teilweise sehr kostspielige Prozesse, denkt man beispielsweise an die Sanierung der Bäder und Sanitäranlagen, die energetische Sanierung von Gebäuden oder gar einen  barrierefreien Ausbau. Auf der einen Seite können die Mieten durch die teilweise sehr umfangreichen Aufwertungen zwar angehoben werden, was die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen teilweise ermöglicht. Andererseits führt eine Mieterhöhung nicht selten zu ungeahnten Schwierigkeiten bei sozialschwachen Mietern, sodass ein Verdrängungswettbewerb mit neuen sozialen Spannungen als Folge eintritt. Klar ist aber: Bestandssanierungen allein reichen in vielen Regionen nicht aus, um die Nachfrage auf den Wohnungsmärkten zu decken, sondern zusätzlich neu gebaut werden muss.

Allerdings: Auch im Neubaubereich besteht eine ähnliche Problematik. Denn durch teilweise stetig steigende Anfordernisse und Auflagen, wie zum Beispiel durch die Energieeinsparverordnung (EnEV), den Brandschutz oder neue statische Vorgaben werden die Baukosten immer höher. Vermietungen von  Neubauwohnungen sind kostendeckend kaum möglich, wenn man einen sozial verträglichen Mietzins ansetzen will.   

Aus diesem Grunde muss der Staat aus meiner Sicht die Schaffung neuen bezahlbaren Wohnraums aktiv finanziell fördern oder auf überhöhte bauliche Standards verzichten. Aus meiner Sicht sollte der Staat auch  den Erwerb von Wohneigentum stärker unterstützen. Eigentumserwerb wird zunehmend ein wichtiger Aspekt der Altersvorsorge in Deutschland. Die Mehrheit in unserem Land lebt in der Abhängigkeit von Mietverhältnissen. Wenn man beispielsweise nach Italien oder Spanien schaut, ist die Quote der Eigenheimbesitzer dort deutlich höher. Der Erwerb von Eigentum ist eine individuelle Zukunftsinvestition, die politisch einen deutlich höheren Stellenwert bekommen muss. Die praktischen Erfahrungen müssen in Gesetzen und Verordnungen stärker Berücksichtigung finden,  damit Bauen und Wohnen dauerhaft bezahlbar bleibt oder an manchen Stellen endlich wieder bezahlbar wird.